Südlich des Mittelmeers, 120km vor der spanischen Küste, erhebt sich in Nordmarokko das Gebirge des Rif. Zwischen Chefchaouen im Westen, Al Hoceima im Osten und Taounate im Süden liegt die viertgrößte Erzeugerregion von Haschisch weltweit. 2/3 des Haschischs auf dem europäischen Markt kommen von hier. 200.000 Kleinbauern leben vom Ertrag einer Anbaufläche von knapp 80.000ha. Keine andere Pflanze wächst in diesen Bergen so gut wie Cannabis.

Dabei ist der traditionelle Anbau der Pflanze offiziell erlaubt. Gemeint ist damit erstens der Anbau nur für den Eigenbedarf der Bauern und zweitens Anbau, der auf die Blätter der Pflanze zur Kifherstellung abzielt- im Unterschied zum kommerziellen Anbau speziell zur Haschischproduktion, wo es um die Gewinnung des viel stärker berauschenden Harzes der Cannabispflanze geht. Dieser sich von der traditionellen Erntemethode unterscheidende Anbau zur Haschischgewinnung, der sich erst seit den 60er Jahren entwickelt hat, ist auch im Rif illegal. Dagegen ist der traditionelle Anbau sogar nach der Verordnung 1-69-246 bis heute offizielles Staatsmonopol. Im Jahr 1926 war der Cannabisanbau von den Franzosen legalisiert und zum Staatsmonopol erklärt worden, wahrscheinlich in der Hoffnung, selbst die Kontrolle über den Anbau ausüben zu können. Zudem herrschte in dieser Zeit in Europa ein großes Interesse an Hanffasern und anderen Hanferzeugnissen, mit denen die Franzosen in den Jahren ihrer Herrschaft Handel trieben.

Im Jahre 1992 unterschrieb König Hassan II. die Konvention der Vereinten Nationen zur Drogenbekämpfung von 1988. Und zum Beweis, dass dies nicht nur eine Formalität, sondern ernst gemeint war, ließ er noch im selben Jahr 10.833 Drogenhändler verhaften. Natürlich nur die kleinsten Händler, die, die am wenigsten Einfluß im Land hatten und deren Rache die Regierung nicht fürchten musste. 1993 kündigte man dann einen Entwicklungsplan an, der der Region Stromleitungen, Straßen, fünf mittelgroße Stauseen, 95.000ha bewässertes Gebiet, 300.000ha Weideland und 200.000ha Obstplantagen versprach. Dies alles sollte es den Bauern ermöglichen, vom Hanfbauern zum Obstbauern zu werden. Das Projekt verlief im Sande, und 3,8 Milliarden DM, zusammengebracht von der EU als Entwicklungshilfegelder, verschwanden mehr oder minder. Gleichzeitig stiegen Produktion und Ausfuhr von Haschisch.

Da von den genannten 3,8 Milliarden DM nichts bei den Kleinbauern im Rif ankam, sehen diese nicht ein, weshalb sie die Cannabis-Produktion, ihre einzige Lebensgrundlage, einstellen sollten. Ein härteres Durchgreifen gegen den Cannabisanbau ist für den marokkanischen Staat schwierig, insbesondere wegen der Gefahr der offenen Rebellion im Rif. Das Rifgebirge ist seit alters her eine Unruheregion. Von hier kamen Kahina, die Kämpferin gegen die arabischen Eroberer, und Abdel Krim, der Held der Berber, der eine ganze spanische Armee besiegte und in den 20er Jahren die Freie Rifrepublik ausrief. Bilad as-Siba, "Land der Gesetzlosigkeit", wurde das Rif genannt, und irgenwie ist es das bis heute. Hier herrschen eigene Gesetze.